Drucken 

Gesund oder Krank?

In Medien und Alltagsdiskurs wird Gesundheit oft als das höchste Gut verstanden und mit Idealen wie Jugendlichkeit, Leistungsfähigkeit, Unversehrtheit und uneingeschränkter Selbstverwirklichung verknüpft. Anhand einer Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen und Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit sowie theoretischen Definitionen dieser Begriffe soll erfahrbar gemacht werden, dass Menschen in allen Lebensphasen nicht „nur“ gesund oder „nur“ krank sind sowie dass „gesund“ und „krank“ nicht als ontologische Realitäten gesehen werden können, sondern dass die Perspektiven darauf immer auch von Sinn- und Werturteilen einer Gesellschaft geprägt sind.

Unterrichtsablauf

Die Lernenden setzen sich in Einzelarbeit mit folgenden Fragen auseinander:

Im Anschluss daran tauschen sich die Lernenden mit einer Partnerin/einem Partner ihrer Wahl darüber aus. 

Daraufhin werden Karten mit „Krankheitsbezeichnungen“ ausgeteilt (die Liste kann beliebig verändert werden). JedeR Lernende erhält eine Karte. Auf dem Boden werden zwei Bereiche definiert, der eine wird mit „gesund“, der andere mit „krank“ bezeichnet. Dazwischen wird eine eindeutige Grenze markiert. Die Aufgabenstellung lautet: „Eine Person, die ausschließlich …… hat, ist nach meinem Empfinden …“ Die Lernenden platzieren ihre Karte kommentarlos auf dem Boden.

Danach werden alle Begriffe vorgelesen. Die Zuordnung wird reflektiert, indem Lernende, die mit der getroffenen Zuordnung nicht einverstanden sind, die Hand heben. In dieser Phase soll noch nicht diskutiert werden. Jene Begriffe, die in ihrer Zuordnung den meisten Widerspruch erhalten, werden ausgesondert. Sie werden im Plenum anhand folgender Fragen diskutiert: Warum hat der/die Lernende diesen Aspekt der jeweiligen Kategorie zugeordnet? Warum erscheint diese den anderen als unpassend? 

Nach dieser Diskussion werden in einem theoretischen Input Begriffe wie „chronische Krankheit“, „psychische/physische Krankheit“, „Infektionskrankheit“, „Krankheitssymptom“, „Risikofaktoren für Krankheiten“ dargelegt. Außerdem wird erläutert, dass es sich bei Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit immer auch um gesellschaftliche Konstruktionen handelt (Ausführungen dazu finden sich z.B. bei Körtner 2007 oder Eurich 2005). 

Sodann erhalten die Lernenden ein Arbeitsblatt mit unterschiedlichen Definitionen von Gesundheit und Krankheit. Diese finden sich beispielsweise auf der Website der „Betrieblichen Gesundheitsförderung“ oder auf der Website des Schweizer Homöopathen Christof Kunz „Homoeobern.ch“.
Die Lernenden werden dazu aufgefordert, in Einzelarbeit und danach im Plenum folgende Fragen zu reflektieren:

Ziel ist es, sichtbar zu machen, dass es sich bei „Gesundheit“ und „Krankheit“ jenseits naturwissenschaftlicher Fixierungen immer auch um Konstruktionen handelt, die mit bestimmten Wertvorstellungen einer Gesellschaft verknüpft sind (Ausführungen dazu wiederum z.B. bei Körtner 2007 und Eurich 2005). (siehe dazu auch den Hintergrundartikel zur Machtkritik

Variante 1

Die Lernenden werden dazu aufgefordert, Gruppen zu bilden und darüber zu diskutieren, was Gesundheit für sie bedeutet. Mit Bildern aus Zeitschriften und Begriffen, die sie damit in Zusammenhang bringen, gestaltet jede Gruppe eine Collage.

Wenn die Collage fertig ist, werden jeder Gruppe unterschiedliche Gesundheitsdefinitionen (siehe Vorschläge unter „Anregungen und Hinweise“) angeboten. Die Gruppe diskutiert, welche Definition von Gesundheit am besten mit ihren eigenen Vorstellungen übereinstimmt und bringt diese auf ihrer Collage an.

Anschließend stellt jeweils eine Person das Werk ihrer Gruppe vor und erzählt, wie das Bild entstanden ist, warum sie sich für die gewählte Gesundheitsdefinition entschieden haben, ob es leicht oder schwer war, sich auf eine Definition zu einigen und inwiefern diese mit ihrem Bild übereinstimmt oder nicht. Die Gruppenmitglieder können die Darstellung noch ergänzen.

Die Perspektive auf Gesundheit und Krankheit kann abschließend um die Sichtweise von Personen erweitert werden, die von einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung betroffen sind (siehe Betroffenensicht).

Variante 2

Als weitere Variante oder aber auch als Ergänzung kann der Zusammenhang von Gesundheit und sozialen, finanziellen Positionen, rechtlichem Status, Bildungsnähe, Wohnverhältnissen usw. betrachtet werden. Dabei geht es darum zu zeigen, dass Krankheitsrisiken durchaus keine Gegebenheiten sind, die alle Menschen in gleichem Ausmaß zu tragen haben. Hier sind ethische Aspekte wie soziale Gerechtigkeit im Sinn einer fairen Verteilung von Existenzchancen angesprochen. Mit dem salutogenetischen Konzept der Gesundheit kann eine konstruktive Perspektive auf Gesundheit eröffnet werden, in der es nicht um Fragen von Normalität und Abweichung geht, sondern der Fokus darauf gelegt wird, was Menschen in spezifischen Lebenssituationen benötigen, um ihr Leben souverän meistern zu können (vgl. Keupp 2007). 

Literatur

Eurich, Johannes (2005): Selbstachtung, Moral und Anerkennung – Überlegungen zum Selbstachtungsbegriff bei John Rawls und seiner moraltheoretischen Verknüpfung mit Anerkennung. In: Henning Hahn (Hg.): Selbstachtung oder Anerkennung? Beiträge zur Begründung von Menschenwürde und Gerechtigkeit. Weimar, 212–230.

Körtner, Ulrich (2007): Krankheit, Kultur und Religion – Fragestellungen interkultureller Medizin- und Pflegeethik. In: Wiener Medizinische Wochenzeitschrift, Themenschwerpunkt: Ethik in der Medizin. Jg. 157, H. 9/10, 183–189.

Keupp, Heiner (2007): Normalität und Abweichung. Vortrag bei der 6. bundesweiten Fachtagung Erlebnispädagogik am 06.–08. September 2007. Freiburg. Verfügbar unter: http://bsj-marburg.de/fileadmin/pdf_fachbeitraege/Normalitaet-Abweichung-Heiner_Keupp.pdf

Anregungen und Hinweise

Definitionen von Gesundheit und Krankheit aus Sicht der Medizinsoziologie und des Versicherungsrechts finden sich auf folgender Website „Betriebliche Gesundheitsförderung“. 

Definitionen zu Gesundheit aus der Perspektive der Philosophie, Theologie, Medizin und Biologie finden sich beispielsweise auf der Website des Homöopathen Christof Kunz „homeobern.ch“.

Im Anschluss an "Gesund oder Krank?" eignen sich folgende Übungen:

Betroffenensicht
IKEA-Identität
41 % Behinderte?
Krankenhäuser für Krankheiten 
Blickwechsel

Autorinenn

Katharina Pecher
Doris Pfabigan

Zurück