Das Auge in der Schatulle
Anhand der Kurzgeschichte „William und Mary“ von Roald Dahl, die auch als Zusammenfassung heruntergeladen werden kann, werden Konzepte von Leiblichkeit, Fragen nach Körper und Gefühlen sowie nach ihren Ausdrucksmöglichkeiten besprochen. Wo und wie werden Grenzen von Menschen diskutiert? Zugleich lassen sich anhand des Textes Probleme herausarbeiten, die mit unbegrenzter Forschung einhergehen.Unterrichtsablauf
- Der Text „William und Mary“ von Roald Dahl wird, auf Englisch oder Deutsch, in Abschnitten gelesen. An spannenden, offenen Stellen erhalten die Lernenden den Auftrag, an der Geschichte weiterzuschreiben bzw. zu diskutieren, wie sie weitergehen könnte/sollte. Was könnte im Brief stehen? Wie geht William mit Landys Vorschlag um? Was macht Mary nach der Lektüre des Briefes? Die Vorschläge werden im Plenum präsentiert.
- Nach der Lektüre des Textes geht es um die Vermittlung der Erkenntnis, dass sowohl der Status quo als auch Verschiebungen von Gewohnheiten und Gewissheiten mit Fragen der Macht verknüpft sind. Sie kann anhand folgender Fragen diskutiert werden: Wie wird die Grenze zwischen Leben und Tod verhandelt? Inwiefern handelt es sich dabei um eine Machtfrage? (Wer wird wie in die Entscheidung miteinbezogen?) Hat sich die Frage nach der Macht bereits in den Diskussionen der Lernenden gezeigt, als der Fortgang der Erzählung ausgehandelt wurde?
- Die skurrile Situation, die sich nach dem „Tod“ Williams ergibt, legt den Blick auf Selbstverständlichkeiten in unserer Gesellschaft offen: Erbe; Machtverhältnisse in der Ehe; Zuständigkeiten: Institution, Privatverhältnisse etc. In Auseinandersetzung damit lassen sich verschiedene Fragen behandeln: In welcher Hinsicht ist eine klare Grenze zwischen Leben und Tod von Bedeutung? Inwiefern gibt es Präferenzen des Leiblichen oder Geistigen? Was bedeutet es, keinen Körper zur Verfügung zu haben bzw. in seinen Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt zu sein? Diese Fragen können auch anhand eines Textausschnittes (z.B. Dahl 2011, 42-43) besprochen werden.
- Eine Diskussion über Autonomie kann anhand folgender Fragen geführt werden: Darf man alles, was man kann? Wie kommt die Entscheidung zustande? In was für ein Dilemma werden Betroffene dadurch gebracht? Was impliziert die Entscheidung? Was bedeutet es, dass Gehirn und Auge über Jahre funktionstüchtig gehalten werden kann? Gibt es ähnliche Eingriffe jetzt schon? (Reanimierung; Ernährungssonde; lebensverlängernde Maßnahmen ohne Aussicht auf Besserung)
Varianten
- Im Anschluss an die Lektüre der Kurzgeschichte oder der Zusammenfassung kann der Zusammenhang von Körper und Körperausdrücken auf verschiedenen Ebenen zum Thema gemacht werden. Als Einstieg schließen die Lernenden die Augen und stellen sich vor, bestimmte Gefühle (Verliebtheit, Wut, Angst, Freude etc.) zu empfinden. Nach einer Einfühlungsphase werden verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten dargestellt. Unterschiede zwischen leiblichem, kognitivem und seelischem Fühlen werden besprochen. Die Bedeutung des Körpers kann unterschiedlich befragt werden: anhand philosophischer Thesen (Ist der Körper eine Maschine, die nach den Gesetzen der Mechanik funktioniert, während das Wesen des Menschen im Geist zu finden ist, wie es der Philosoph René Descartes behauptet hat? Welche anderen Verständnisse von Körper und Leiblichkeit bietet die Philosophie?), Körpermetaphern (etwas geht einem in Fleisch und Blut über, Gift und Galle spucken, etwas auf den ersten Blick erkennen) oder physischen Reaktionen (Warum wird einem ganz heiß, wenn man bemerkt, dass man etwas Wichtiges vergessen hat? etc.).
- Im Sinne einer vertiefenden Auseinandersetzung können im Internet internationale Instrumente der Forschungsethik recherchiert werden (z.B. „Helsinki-Tokyo-Deklaration“, „Europäische Biomedizinkonvention“). Auf deren Grundlage wird die Frage diskutiert, inwiefern das Experiment in Dahls Kurzgeschichte in ethischer Hinsicht als problematisch betrachtet werden müsste. Die Lernenden bilden einen Runden Tisch, an dem BefürworterInnen und GegnerInnen des Experiments sitzen, eventuell auch Dr. Landy und Mary. Mit kurzen schriftlichen Notizen an die Moderatorin/den Moderator können die ZuseherInnen in die Diskussion eingreifen.
Verwendete Literatur
Dahl, Roald (2011): William und Mary. In: Küsschen, Küsschen! Elf ungewöhnliche Geschichten. Übertr. v. Wolfheinrich von der Mülbe. Reinbek bei Hamburg, 22–58.